Schüler der Literaturwerkstatt am Zwieseler Gymnasium kamen in die Stadtbücherei
Regen. Nach zweijähriger Zwangspause fand heuer wieder die Hospizlesenacht in der Stadtbücherei Regen statt. Die Hospizvereins-Vorsitzende Heidemarie Horenburg begrüßte voller Freude über 50 teils treue Gäste, das Musikerduo Max Fischl (E-Gitarre) und Max Niedermeier (Saxophon) sowie Studiendirektorin Martina Kuchler vom Gymnasium Zwiesel mit den jungen Leser*innen „ihrer“ Literaturwerkstatt, die immer wieder gerne gesehen Akteure sind, weil sie hier in einem geschützten und gleichzeitig offenen Rahmen ihre ganz persönlichen Werke vorstellen können.
Den Anfang der Lesung gestaltete Anna Lena Hamel (8. Kl.), die ein aktuelles Thema aufgriff: Geflüchtete Kinder aus der Ukraine suchen in unseren Schulen einen ersten sicheren Hafen. In ihrer Kurzgeschichte wehrt sich die Jugendliche Britta zunächst vehement dagegen, eine Freundschaft mit der ihr völlig fremden Ukrainerin Alma einzugehen. Verständigungsschwierigkeiten, die fremde Kultur und die Abneigung gegen alles Anderssein sind für das deutsche Mädchen hinderlich… bis es zu einer überraschenden Wendung kommt, weil Alma eine wichtige Hilfe für Britta wird und plötzlich “alles anders“ wird. Der Beginn einer „Wunderbaren Freundschaft“ – so auch der Titel der Kurzgeschichte.
Witzig und skurril bot die jüngste, aber unglaublich kreative Schreiberin Johanna Ademi (5. Kl. ) eine sehr unterhaltsame Version einer Simulantin. Die Schülerin führt ihren Vater mit einer erfundenen Krankheit hinters Licht, bis sich ihr Lügengebäude auflöst. Eine Steigerung erfuhr Johannas Vortrag mit der spannenden und fast verstörenden „Mysteriösen Schulgeschichte“, die mit den Worten einführte: „Manche Eltern wähnen ihre Kinder in der Schule in Sicherheit – und wissen nicht, in welches Verderben sie diese schicken!“ Ein gruseliger Anfang, der sich in einer unglaublich abwechslungsreichen Story von einer witzigen Szene in der Aula bis zum alptraumhaften letzten Bericht einer von einem Ungeheuer gefangenen Schülerin steigerte! Und plötzlich war auch in dieser Schule „alles anders!“
Lisa Stadler (12. Kl.), die bereits öfter in der Hospiz-Lesenacht las, nahm ihre Zuhörer diesmal gefangen mit einer Kurzgeschichte über eine junge Familie, die nach außen perfekt erscheint. Psychologische Einblicke ins Innere der Figuren zeigen jedoch meisterhaft die tiefen Verwerfungen, die Geheimnisse und Abgründe dieser Familie, die in einer blutigen Katastrophe enden. Ihre Virtuosität im Schreiben bewies Lisa Stadler dann auch in ihrem zweiten Vortrag, einem modernen Gedicht zum Thema „Veränderung“.
Ebenso nachdenklich und tief philosophisch gestaltete sich der fiktive Dialog verschiedener Worte und Begriffe in Johanna Lembergers (11. Kl.) Essay „Die Insel der Worte“, die den Leser ermutigten, das wörtliche Sprungbrett zur Veränderung eigner Einstellungen und festgefahrener Muster zu finden.
Den Schluss der Vorleserunde der Schriftstellerwerkstatt des Gymnasiums gestalteten zwei junge Herren – Benedikt Stangl (12. Kl.) und Loren Dankesreiter (11. Kl.). In einer faszinierend umgestalteten Version der „Verwandlung“ von Franz Kafka mit dem Titel „Kafka 2.0“ entführte Benedikt Stangl in die Vision eines Körpers, der sich in einen riesigen Käsekuchen verwandelt hat und allmählich seinen eigenen Untergang durch den Genuss einzelner Körpersegmente einleitet. Passend zur Rede auf dem Nockherberg mahnte Loren Dankesreiter abschließend in seiner Predigt mit dem Titel „Metamorphose“ zum Mut, Veränderungen als etwas Positives und als Chance zur Verbesserung der Menschheit zu begreifen.
Insgesamt überzeugten alle jungen Talente der Schriftstellerwerkstatt des Gymnasiums durch eine unglaubliche Kreativität, tiefsinnige Gedankenwelt und eine virtuose Sprachbeherrschung.
In der großzügigen Pause konnten sich alle Gäste und Akteure mit Getränken und Kuchen und Pizza stärken. Gesprächsstoff hatte man wahrhaft genug!
Den zweiten Teil des Abends gestalten traditionsgemäß Leser aus dem Publikum. Sonja Fürst las Passagen aus dem Buch „Erfindung des Lebens“ von Hanns-Josef Ortheil, einem Autoren, der in Kinderjahren stumm war, um später Karriere als Musiker, Regisseur und Autor zu machen, ein Leben, in dem alles anders wurde…
Hans Hagl, ein treuer Besucher unserer Veranstaltungen, rezitierte sehr gekonnt und perfekt ausgewählt Gedichte von Helmut Zöpfl zum Gedanken der Lesenacht und zu Veränderungen bei.
Peter Wähe präsentierte traditionsgemäß eine selbst verfasste, auf Tatsachen beruhende Geschichte. Nachforschungen nach einem wertgeschätzten, aus den Augen verlorenen Kollegen gemeinsamer Lehrertage treffen an dessen 25. Todestag bei der Witwe ein. Man erfährt die Umstände, die zu massiven Veränderungen in der Familie des Freundes geführt haben.
Neben den sehr guten Texten und Vorträgen dürfen die beiden exzellenten Musiker Max Fischl und Max Niedermeier nicht unerwähnt bleiben. Gefühlvoll virtuos haben sie mit ihren Musikstücken, die immer wieder zwischen den Textbeiträgen sowohl unterbrachen als auch verbanden, zur Harmonie des Abends beigetragen. Der Vorsitzenden blieb am Schluss die erfreuliche Aufgabe, allen Beteiligten zu danken und großes Lob auszusprechen.