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Mehr Zeit für Pflege am Lebensende

Hospizverein macht mit beim Projekt „Zeitintensive Betreuung im Pflegeheim“

Von Evelyne Wittenzellner

Viechtach. Immer mehr Menschen verbringen die letzte Phase ihres Lebens im Pflege heim. In diesen letzten Wochen und Monaten vor dem Tod benötigen sie noch mehr als zuvor Unterstützung und Betreuung, bei der Pflege, beim Essen und Trinken. Auch darauf, dass sich jemand Zeit für Gespräche mit ihnen nimmt, sich an ihr Bett setzt und wacht oder persönliche Wünsche erfüllt, hoffen die alten Menschen. Doch der Stellenschlüssel in Pflege- und Seniorenheimen reicht dafür in der Regel nicht aus. Das Projekt „Zeitintensive Betreuung im Pflegeheim“, kurz ZiB, will das ändern.

Seit November 2021 läuft es in vier Pflegeheimen in der Region. Ein Jahr lang. Koordiniert wird das Projekt vom Hospizverein Arberland um Vorsitzende Heidemarie Horenburg, gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und von der Paula Kubitscheck-Vogel-Stiftung.

Eigentlich wollten die Verantwortlichen des Hospizvereins Arberland dazu bereits im November eine Informationsveranstaltung durchführen. Doch diese musste wegen der Corona-Pandemie ausfallen. Mit der positiven Folge, dass nun erste Zwischenergebnisse präsentiert werden können, wie Hospizvereinsvorsitzende Heidemarie Horenburg bei einer Zusammenkunft am Dienstag im Alten Rathaus in Viechtach er klärte, zu der der Hospizverein eingeladen hatte.

Per Videoübertragung war Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek zugeschaltet. Er zeigte sich sehr dankbar da für, dass das ZiB-Projekt in der Region durchgeführt wird und prophezeite, dass es für alle Beteiligten eine Win-win-Situation sei. Nach Viechtach gekommen waren aus seinem Ministerium Frank Dodoo-Schittko und Lisa Gerhart.

Dodoo-Schittko bezeichnete „Zeitintensive Betreuung im Pflegeheim“ als Leuchtturmprojekt. Es sei wichtig und segensreich, dass die Staatsregierung es gefördert habe. Begleitforschung sei jedoch wichtig, betonte er und gab zu, schon sehr gespannt auf die Ergebnisse im Zwischenbericht zu sein.

Über die Beweggründe dafür, dass die Paula Kubitschek-Vogel-Stiftung das Projekt finanziell unterstützt, sprach Geschäftsführerin Anne Rademacher. Paula Kubitschek

habe die Stiftung im Jahr 2006 gegründet und ihr ganzes Vermögen in sie gesteckt, um die Hospizversorgung auszubauen und die Hospizidee weiterzutragen.

Es gehe darum, eine flächendeckende Palliativversorgung in Bayern zu realisieren. Denn in den palliativen Pflegeeinrichtung sterben die meisten Menschen. Eine gute Versorgung der alten Menschen gehöre zu den großen Aufgaben des 21. Jahrhunderts. Wenn diese Versorgung bedarfsgerecht und würdevoll sein soll, brauche es geschultes Personal und vor allem Zeit.

Ein „Nebenjob“ am eigenen Arbeitsplatz

Zeit sei in Pflegeeinrichtungen aber immer knapp. „Doch das Sterben soll in Ruhe, Würde und Sicherheit ablaufen“, betonte sie. Um dieses Ziel zu er reichen, brauche es in den Pflegeheimen Kräfte, die die Zeit haben, sich trotz Fachkräfte mangels, um die schwer kranken, sterbenden Menschen zu kümmern und ihre Versorgung zu verbessern. So sollen auch unnötige Krankenhauseinweisungen verhindert werden. Möglich werde dies durch „ZiB“.

Pflegekräfte mit Zusatzausbildung in Palliative Care, die an ihrem Arbeitsplatz teilzeit beschäftigt sind, werden für das Projekt zusätzlich auf geringfügiger Basis bei einem Hospizverein angestellt. In ihren Heimen übernehmen die Fachkräfte dann die zeitintensive Betreuung der Schwerkranken und Sterbenden. Die Kosten für diese zusätzlichen Betreuungsstunden tragen während des ein Jahr laufenden Projekts das Gesundheitsministerium und die Paula-Kubitscheck-Vogel-Stiftung.

Zur Infoveranstaltung waren von den an ZiB beteiligten Pflegeheimen die Heimleiter Franz Lobmeier (BRK-Pflegezentrum Viechtach) und Tobias Hauner (BRK-Seniorenzentrum Zellertal in Drachselsried) sowie die Vertreterinnen der Unternehmensgruppe Mirski, Ines Paternoster und Christa Kubitschek gekommen. Sie stellten ihre Einrichtungen und ihre „ZiB“- Kräfte vor. Dies waren Brigitte Ziselsberger, Alexandra Schlecht und Elfriede Pöhn vom BRK-Wohn- und Pflegezentrum Viechtach, GabyBauer und Bianca Hilbert von den Altenheimen St. Laurentius (Ruhmannsfelden) und St. Margareta (Teisnach) sowie Margit Felgentreu und Michaela Elster vom Seniorenzentrum Zellertal. Bettina Brückl musste leider kurzfristig absagen, meldete sich jedoch über Video. Sie alle betonten, dass sie sich für Selbstbestimmung, Struktur und Zusammenhalt einsetzen.

Anhand von Beispielen berichteten sie über ihr Engagement. Sie seien nun für die Art von Betreuung von Sterbenden zuständig, für die man im normalen Alltag im Pflegeheim keine Zeit habe: etwa fürs Hände halten oder dafür,dem Sterben den einen letzten Wunsch zu erfüllen, wie noch einmal auf den Kronberg und in der Sonne sitzen, ein Eis am Stadtplatz essen, in die Kirche gehen, wo man Kirchenpfleger war, oder an die frische Luft kommen und die Sonne spüren oder die Vögel zwitschern hören.

Zeit gebe es auch für individuelle Wünsche, zum Beispiel Fingernägel lackieren, ein Wellnessbad, Kopf-, Fuß- oder Handmassage, Vorlesen oder aus der Bibel lesen. Manche wollen gemeinsam Rätsel lösen oder noch einmal Musik hören und tanzen. Viele wollen aber einfach nur Körperkontakt oder das Gras unter nackten Füßen spüren. All das könne durch das ZiB-Projekt ermöglicht werden, weil mehr Zeit vorhanden sei. Auch ein Haustier dürfe zu Besuch kommen. Ausflüge zum Wochenmarkt und in den Park werden möglich.

Wie bei der Infoveranstaltung außerdem berichtet wurde, werden die „ZiB“-Kräfte von ihrem Arbeitgeber ebenfalls für zehn Stunden freigestellt. Denn: Die „Zeitintensive Betreuung im Pflegeheim“ wirke nach innen und nach außen. Man habe Zeit für den Netzwerkpartner und sei Ansprechperson. Regelmäßig kämen die Kräfte zu einem Treffen zusammen,um sich mit Maria Nothaft vom Hospizverein Arberland auszutauschen, die das ZiB Projekt in der Region koordiniert.

Wertvolle Ansprechpartnerin für die am Projekt Beteiligten ist auch Erika Koch, Regionalcoach des ZiB-Projekts. Sie schult die örtlichen Kräfte. Die Mühldorferin war es auch, die auf die Idee gekommen war, Fachkräfte nebenberuflich beim Hospizverein einzustellen. Sie berichtete weiter, dass sich die Helfer mit anderen ZiB Mitarbeitern einmal im Monat zu Fallbesprechungen treffen.

Der Sterbende dürfe kein Schmerzen haben oder a Atemnot leiden. Bis zu Schluss solle er seine Würde bewahren.

Den Pflegekräften schenkt das Projekt eigenem Bekunde zufolge mehr Arbeitszufriedenheit. Man bekomme mehr Anerkennung, werde in der täglichen Pflege entlastet, bekommt Sicherheit in der Versorgung Sterbender. Ein Vorteil sei auch dass man weniger Notarzteinsätze und Krankenhausaufenthalte brauche. Der Sterbend dürfe bis zuletzt in seinem gewohnten Umfeld bleiben.

Ziel ist die Fortführung nach dem Projektjahr

Bei einem anschließende Gespräch konnten alle Teilnehmer noch einmal das Wort ergreifen. Auch die Krankenkassen sollten dieses Projekt mittragen, wünschten sich alle Und wichtig sei es, mehr jung Menschen für den Pflegeberufe zu begeistern. BRK-Heimleiter Franz Lobmeier freute sich dass auch viele Politiker zu Infoveranstaltung gekommen waren.Denn ein Faktum sei vielen nicht klar: „Heimplätze können nicht belegt werden, da e keine Kräfte gibt!“ Das werde in eine Katastrophe führen.

Da die würdevolle Betreuung am Lebensende nicht nur Zeit brauche, sondern auch finanzielle Mittel, ist der Hospizverein Arberland für die Weiterführung des Projekts „ZiB in Pflegeheimen“ auf Spenden angewiesen. Weitere Infos über den Verein und seine Kontoverbindung gibt es online unter www.hospizverein-zwiesel.de.